Wenig ist bekannt über die zurückhaltenden Brüder Eckbert und Kaspar Eulenstein, die 1817 dem Adventure Club of Europe beitraten. Schon als kleine Jungen, so erzählte es ihre Mutter, träumten sie davon, fliegen zu können. Durch ihr herausragendes handwerkliches Geschick waren sie unter den anderen ACE-Mitgliedern sehr gefragt und reparierten alle mechanischen Geräte, die während der Abenteurer ihrer Kollegen zu Bruch gingen. Doch der Wunsch, Herrscher der Lüfte zu sein, ließ die Brüder nicht los. Und wie wir heute wissen, bastelten sie wohl jahrelang im Geheimen an verschiedenen Flugapparaten.

Eckbert “Ecki” war der Pragmatiker der beiden Brüder. Als gelernter Uhrmacher war er handwerklich geschickt und für die Konstruktion der Fluggeräte verantwortlich.Kaspar hingegen war Naturalist und seine Faszination galt der Ornithologie. Dabei waren Vögel nicht nur seine naturwissenschaftliche Obsession, sondern vor allem auch Inspiration in den Bereichen der Aerodynamik und Flugbewegungen. Die Funktionsweise seiner Fluggeräte versuchte er dem natürlichen Flug eines Vogels nachzuempfinden. Jede freie Minute widmeten die Brüder ihren Konstruktionen. Allerdings gaben sie keine dieser Erfindungen je der Öffentlichkeit preis.

Paul Mack, ein befreundeter Wagenbauer, schrieb zu jener Zeit in eines seiner Tagebücher:

Die beiden [Brüder Eulenstein] arbeiten nur für sich selbst – und ihren Traum des Fliegens. Sie streben nicht nach Erfolg, trachten nicht nach Ruhm und Ehre. Sie tragen den wahren Erfindergeist in sich. Doch sie bräuchten jemanden, der ihre Erfindungen an die Öffentlichkeit bringt. Sonst läuft ihr Talent Gefahr, für immer verloren zu gehen.“

Auch abseits ihrer beruflichen Tätigkeit lebten die Eulensteins ein eigenbrötlerisches Leben. Keiner der beiden hatte Familie und Freunde waren rar gesät. Tag und Nacht verbrachten sie in ihrem geheimen Fluglabor.

Einige ihrer Nachbarn halten die beiden für geistig zurückgeblieben“,

schrieb Mack in seine Tagebücher.

„Angeblich lief einer von ihnen zuweilen des Abends mit ausgebreiteten Armen durch den Garten, machte mit dem Mund Fluggeräusche und sprang von Kisten ins Gras.“

Eines Tages im Jahre 1825 verschwanden die Brüder spurlos.

Paul Mack bemerkte als erster, dass sie seit Wochen nicht in ihr Stammlokal eingekehrt waren. Mit Hilfe der Polizei öffnete er schließlich ihr Labor und fand es verlassen vor. Auf einem der Arbeitstische lag eine Karte, die den Ärmelkanal zeigte und etwas, dass Mack als „Miniatur-Flugapparat aus Holz“ beschrieb.

Paul Mack unterrichtete den Adventure Club of Europe über seinen Fund und das Verschwinden der Brüder, woraufhin Mitglieder des ACE unter der Leitung von Hugo Hoppenstedt, dem damaligen Präsidenten des Clubs, die Unterlagen der Eulensteins untersuchten.

Sie fanden unzählige Zeichnungen von aberwitzigen Fluggeräten, einige zerknüllt und durchgestrichen, andere mit jubilierenden Notizen. Nie hatten die Brüder auch nur einem der ACE-Mitglieder von ihren Plänen und Konstruktionen berichtet. Doch laut ihren Unterlagen schien es ihnen gelungen zu sein, einen ihrer bemannten Flugapparate zum Fliegen zu bringen – eine Sensation.

Schließlich tauchte die Beschreibung eines minutiös geplanten Vorhabens der Brüder auf: Mit einem ihrer bereits erfolgreich getesteten Fluggeräte, dem Volatus II, wollten sie über den Ärmelkanal nach England fliegen.

Als der Adventure Club of Europe von diesem Plan erfuhr, wurden umgehend Recherchen angestellt. Doch niemand hatte die Brüder jemals wieder gesehen. Sogar die Küstenwache wurde informiert und der Kanal wochenlang abgesucht – ohne Erfolg.

Schließlich wurden die beiden für Tod erklärt und all ihre Unterlagen ins Clubhaus des ACE gebracht.

Dort gerieten die Pläne und Zeichnungen der Fluggeräte in den folgenden Jahrzehnten in Vergessenheit. Womöglich, so dachte man, war es den Eulensteins nie wirklich gelungen, ein funktionierendes Fluggerät zu bauen – schließlich gab es keine Zeugen – und sie waren letztlich an ihrem eigenen Wahnsinn gescheitert. Zudem war niemand in der Lage, ihre unleserlichen und hochkomplexen Pläne vollständig nachzuvollziehen.

Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Brüder Wright weltweit für ihren erfolgreichen Flugversuch gefeiert wurden, waren die Eulensteins bereits komplett vergessen.

Erst vor kurzem – fast 200 Jahre später – nahm sich Andrej Nikolajew, ein Karlsruher Professor, erneut die alten Plänen der Brüder Eulenstein vor.

Seine These: Bereits 75 Jahre vor den Brüdern Wright, denen der Ruhm des Erstflugs fälschlicherweise zugesprochen wird, schafften es die Eulensteins, ein Fluggerät zum Fliegen zu bringen. Und wer weiß: Vielleicht haben sie es damals ja tatsächlich geschafft, nach England zu fliegen?

Aufwändig machte sich Nikolajew an Nachbauten der skizzierten Apparate, die in Kürze im neueröffneten Fluglabor ausgestellt werden sollen.

Heute im Besitz des Adventure Club of Europe:

Artefakte:

  • Nachbauten
  • 30 verschiedene Flugapparate
  • Darunter der „Volatus I“

Fotos:

  • Pläne der Fluggeräte
  • Bilder der Brüder Eulenstein